06192 - 402732 info@main-taunus.feg.de

Unser Kinder werden es nicht besser haben

4. August 2009 von Artur Wiebe

Auf „Unsere Kinder sollen es einmal besser haben“ müssen wir in Zukunft verzichten. Dieser Satz hat sich für meine Generation erledigt.

„Unser Kinder sollen es einmal besser haben“, so dachte und handelte die Nachkriegselterngeneration zugunsten ihrer Kinder. Die Eltern damals haben die Entbehrungen wie Hunger und mangelnder Bildung aus finanzieller Unmöglichkeit hautnah miterlebt. Und sie wollten dieses Erbe nicht an ihre Nachkommen weitergeben. Deswegen war dieser Satz eine Art Selbstmotivationsmotto, sich für sie Stück für Stück abzurackern und somit die Erfüllung der eigenen unerreichten Lebensträume in die Kinder zu verlagern. Sie übten Verzicht, damit die Kinder es einmal besser haben.

Was ist daraus geworden? Die Kinder hatten es auf einmal wirklich besser: das Wirtschaftswunder und zeitweise Vollbeschäftigung, ein eigenes Haus, gute Ausbildung u.v.a.m. Beste Voraussetzungen für ein besseres Leben der besseren Kinder. Dadurch wurde die Luxusveranstaltung der 68er Generation möglich: Durch gute Versorgung und den nicht enden wollenden Aufstieg konnte man sich bar existenzieller Sorgen der Umgestaltung der Gesellschaft hin zur freizügigeren Kultur widmen. Auch die Eltern und Großeltern sollten es dadurch einmal besser haben, denn Verzicht lohnt sich langfristig. Die Rentnergeneration bis heute hat es so gut wie noch nie. Rundumversorgung und exzellente gesundheitliche Angebote lassen die Lebenserwartung hochschnellen. „Einmal-besser-haben“ ist Wirklichkeit geworden. Doch dieses „Einmal“ ist nun vorbei.

Unser Kinder werden es nicht besser haben.

Es ist das Jahr 2009 und mein Elternsein rückt in greifbare Nähe. Ich mache mir Gedanken über die Zukunft meiner potenziellen Kinder. Ich gehöre zu der Generation, deren Kinder es nicht mehr besser haben wird. Wir sind am Scheitelpunkt angelangt – am Wendepunkt eines ausgleichenden Generationenvertrages. Wir können dankbar und zufrieden sein, wenn es unseren Kindern genauso gut ergeht wie uns. Doch selbst das ist nicht mehr selbstverständlich.

Wir stecken mitten in der Weltwirtschaftskrise, deren wirkliches Ausmaß noch nicht absehbar ist. Zahlreiche Banken und Betriebe sind pleitegegangen, Anleger haben ihre Einlagen verloren und der Staat springt ein, wo er kann. Wie macht Vater Staat das? Durch Bürgschaften, Kredite und Konjunkturpakete. Das Finanz- und Wirtschaftssystem, das sich selbst in den Ruin getrieben hat, soll künstlich am Leben erhalten werden. Das Auto, das wir vor die Wand gesetzt haben, soll durch das Nadelöhr der Abwrackprämie geschleust werden und – oh Wunder – auf der anderen Seite als subventionierter Neuwagen wieder auferstehen. Und das alles, damit unser Wirtschaftswagen weiter rollt. Zwar in die falsche Richtung, aber Hauptsache er läuft und läuft und läuft.

Womit macht Vater Staat das? Mit dem Geld, das er hat, meint zu haben und letztendlich doch nicht hat. Nämlich mit dem Geld unserer Kinder und Enkelkinder. Wir alle heute leben und überleben auf Pump von Generationen, die noch gar nicht entscheiden dürfen und können, ob sie uns das Geld überhaupt borgen wollen. Wir zwingen sie, zu unterschreiben, was sie noch nicht einmal lesen geschweige denn verstehen können. Wir fesseln und knebeln unsere Nachkommen durch einen Generationenvertrag, der nicht in ihrem, sondern allein in unserem Interesse liegt. Unsere Kinder werden es nicht besser haben.

Unsere Kinder dürfen es nicht besser haben

Wie gehen wir damit um? Wir verschließen die Augen vor der Realität und lechzen nach Nachrichten, die uns versprechen, dass die Krise bald ein Ende haben wird. Wir hören gerne auf Wahlversprechen, die uns eine Traumrealität versprechen, damit unser Albtraum nicht Realität wird. Damit wir genauso weiter machen können wie bisher: verzechen statt verzichten und kreditieren statt verlieren. Damit unsere Kinder es nicht besser haben dürfen.

Wir wollen unseren eigenen Standard mit aller uns zur Verfügung stehender Macht halten. Deswegen hauen wir weiter auf den Kopf, was uns nicht gehört. Wir wollen den schönen reichen Schein wahren und nicht als Verlierer da stehen, die sich selbst in den Schuldensumpf geritten haben. Und was ist dann mit unseren Kindern? Na, dann bekommen wir eben keine Kinder. Man muss sich erst recht überlegen, ob man in so eine Welt überhaupt noch Kinder setzen kann. Und nehmen unseren Kinder jede Chance, es überhaupt besser haben zu können.

Unsere Kinder werden es wirklich nicht besser haben. Das ist die realistische Sicht der Zukunft. Die muss bei uns einschlagen und uns überführen. Und das zu unseren Gunsten, damit wir endlich erkennen, dass es so nicht mehr weiter gehen kann und wird. Wir müssen umkehren und unser Leben ändern. Damit uns das Gebot der Stunde im Interesse unserer Kinder in Fleisch und Blut übergeht. Es lautet: Verzichten und verlieren – uns eingestehen, dass wir mit unserem Finanzroulette gescheitert sind. Das ist eine bittere Pille, die aber dennoch sehr heilsam sein kann. Hier geht es nicht mehr um Vermeidung, sondern um ein offenes und aufrechtes Eingeständnis des Scheiterns vor den nachfolgenden Generationen.

Was geben wir unseren Kindern als Proviant mit in die kommende nicht besser werdende Zeit? Unser neues altes Tugendvorbild der Nachkriegsgeneration des Verzichtens zugunsten der Nachkommen. Wir müssen aus der Krise neu lernen, den Gürtel enger zu schnallen und zu verzichten. Nicht alles direkt haben wollen und über seine Verhältnisse leben. Maß halten ist angesagt und eine ehrliche Bestandaufnahme der eigenen Situation, damit wir und unsere Kinder es einmal besser haben. Doch das ist nur möglich, wenn man selbst einen Maßstab hat, an dem man sein Leben ausrichtet.

„Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“ [1]. Die Präambel unseres Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland weist uns den Weg zu den Voraussetzungen und Werten unseres Staates, die er selbst nicht garantieren kann. [2] Und Verantwortung für und vor den Nachkommen hat in einem Atemzug mit der Verantwortung vor Gott zu tun. Und da bedeutet weniger oft mehr, weil Gott der Ursprung und Geber aller Gaben ist. In der erwartenden Hoffnung, dass es mehr gibt, als das Leben hier, bedeutet Verzicht auch Gewinn, weil Gott seinen Segen dazugibt.

Dieser erweiterte Gott-Mensch-Horizont kann entscheidend mit dazu beitragen, dass unsere Zukunft und die unsere Kinder nicht nur in unserer Hand liegt. Sondern in der Hand des Gottes, der mit dafür sorgen wird, damit wir uns unsere Kinder es einmal besser haben. Und auch wenn wir es ein Mal nicht besser haben werden: Auf Gottes Beistand und Segen muss keiner von uns verzichten.


[1]Grundgesetz Bundesrepublik Deutschland: http://www.bundestag.de/parlament/funktion/gesetze/Grundgesetz/gg_00.html.

[2] „Der freiheitlich säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ (Ernst-Wolfgang Böckenförde).